Der Autodidakt, Lautpoet, Zeichner, Sprachkünstler und -denker, utopische Kommunist und universal gebildete „Existenz-Experimentator“ Carlfriedrich Claus (1930 - 1998) war einer der unabhängigsten Künstler in der DDR. Er schuf ein Gesamtwerk von mehreren hundert Tonbandkassetten mit Artikulationen, Sprachblättern, Handzeichnungen, Büchern, Druckgrafiken und Briefen.

Ab 1951 beschäftigte sich Claus mit sprachwissenschaftlichen und phonologischen Phänomenen und zwischen 1953 und 1957 mit Porträt- und Landschaftsfotografie. Zu Beginn schrieb Claus konkrete Gedichte auf der Schreibmaschine. Ab 1955 nannte er seine Gedichte Klanggebilde und bezog zunehmend die Fläche des Papiers in die Konzeption seiner Texte ein. 1957 entstanden 80 Blätter des Automatischen Tagebuchs sowie Papiercollagen. Seine Werke, in denen sich seit Beginn der 1960er Jahre Handgeschriebenes grafisch überlagert, nannte er „Sprachblätter“. Beim Anfertigen seiner Sprachblätter artikulierte er (teilweise) gleichzeitig, sodass ein Werk auf mehreren Ebenen entstand. Nachts setzte er in Trance zeichnerisch um, was an Fantasielandschaften in seinem Kopf entstanden war. Sein Hauptwerk, der Zyklus Geschichtsphilosophisches Kombinat (1963), der nach wesentlichen Impulsen durch das Werk des Philosophen Ernst Bloch entstand, verweist auf eine erträumte alternativkommunistische Zukunft.

Carlfriedrich Claus konnte, wenn überhaupt, nur im privaten Rahmen ausstellen, erst 1980 fand die erste (staatlich geduldete) Einzelausstellung im Kupferstichkabinett Dresdenstatt. Die Staatssicherheit versuchte seine Sprachbilder zu entziffern, weil sie hinter den mit Minischrift überzogenen Blättern verschlüsselte Botschaften vermutete. Er wurde vom Staatssicherheitsdienst der DDR überwacht, und man legte ihm eine Ausreise nach Westdeutschland nahe, was er entschieden ablehnte. Claus unterhielt Kontakte zu anderen konkreten Poeten, insbesondere zu Franz Mon, und besonders zur tschechischen Avantgarde. Franz Mon organisierte für ihn Ausstellungen im Westen. 

1975 wurde Carlfriedrich Claus Mitglied des Verbandes Bildender Künstler der DDR. 1977 gründete er zusammen mit Michael Morgner, Thomas Ranft, Dagmar Ranft-Schinke und Gregor-Torsten Schade die Künstlergruppe und Produzentengalerie Clara Mosch (1977 - 1982) in Karl-Marx-Stadt. 1978 gewann er den 2. Preis der Grafik-Biennale in Krakau. Claus erhielt 1989 den Max-Pechstein-Preis der Stadt Zwickau, 1993 den von HAP Grieshaber und Rolf Szymanski begründeten Jerg-Ratgeb-Preis und 1998 den Gerhard-Altenbourg-Preis. 1999 wurde der AURORA-Experimentalraum als ständige Ausstellung im Gebäude des Deutschen Bundestags in Berlin installiert.

Sowohl visuell als auch akustisch hat Carlfriedrich Claus die Dimensionen menschlichen Bewusstseins ausgelotet und reflektiert und so einen singulären Beitrag zur Kunst des 20. Jahrhunderts geleistet. 

ATJ

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