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Tamaran (1974)

Juan Hidalgo

Juan Hidalgo

Ti­tel des Albums: Tamaran
Ti­tel:  (Seite 01)
Her­aus­ge­ber:
La­bel: Nova Musicha n.2, Cramps Records, Milano
Da­tum: 1974
Me­di­um: re­cord 30 cm
Coverfotos: Antonio de Gregorio, Ummarino srl.
Performer: J. Hidalgo, W. Marchetti

 

Die von Juan Hidalgo aufgenommene und gestaltete Langspielplatte Tamaran wurde dezidiert auf der Basis eines besonderen politischen und musikalischen Kontextes konzipiert, auf den auch der Untertitel Gocce di sperma per dodici pianoforti hinweist. Vermutlich weil die LP in Italien produziert wurde, ist der Untertitel auf Italienisch.

Tamarán war in der Sprache der Guanchen der Name für die Insel Gran Canaria. Guanche ist eine ausgestorbene Berbersprache, die bis ins 17. Jahrhundert hinein auf den Kanarischen Inseln gesprochen wurde, und auch bekannt ist als Tamazight. Einem Mythos nach sind die 12 Kanarischen Inseln als Folge der Ejakulation des Gottes Atlas entstanden, der das Himmelgewölbe auf seinen Schultern trägt. Einige Tropfen seines Spermas fielen ins Meer und bildeten die Inseln von Fuerteventura bis Lanzarote und von Teneriffa bis Roque del Este. Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Untertitel der Platte Tropfen von Spermien für zwölf Klaviere. Hidalgo hat sich also mit dieser Mythologie auseinander gesetzt und auf seine Komposition übertragen.

Das Klangmaterial des Albums ist in zwei separate Suiten aufgeteilt, für die keine klassische Partitur mehr besteht, sondern ein Schema, in dem die X-Achse die Zeit in Sekunden unterteilt, während die Y-Achse die zu erzeugenden Ereignisse durch 12 Klaviere unterscheidet. Unter diesen Ereignissen erscheinen auch Teile mit Stille. Die Interpreten müssen nicht mehr in der Lage sein die Musik zu lesen, sie müssen nur eine Stoppuhr präzise verwendet und Obertöne durch die Saiten des Klaviers erzeugen. Jede Note kann benutzt werden, solange das harmonische Muster respektiert wird. Die Unterteilung in der graphischen Darstellung (XY) wird durch eine Reihe von numerischen Werten unterschieden, wobei jede Zahl der gleichen Note entsprechen muss, die der Interpret verwenden möchte. Jede Aufführung von Tamaran führt auf diese Weise immer zu einem anderen Ergebnis. Den Interpreten ist keine Improvisation erlaubt, denn die Anzahl der Klänge muss immer auf dem obigen Schema basieren. Die auf der freien Assoziation von Ideen basierende Komposition Hidalgos spielt auf eine aleatorische Form des Klangs an, die der des amerikanischen Künstlers und Komponisten John Cage sehr nahe kommt.

Das 1974, ein Jahr vor Francos Tod, entstandene Werk ist eine Hommage auf die Kanarischen Inseln, auf Gran Canaria und damit auf die Insel, auf der Hidalgo geboren wurde. Wie eine unterschwellige Botschaft erinnert es an die Bewahrung der Identität und Eigenständigkeit von Tamaran und des gesamten Archipels im faschistischen Spanien.