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Action-Interview at WBAI Radio Station-N.Y. (1970)

The Guerrilla Art Action Group

Guerilla Art Action Group Radiotaxi

Ti­tel des Albums: Action-Interview at WBAI Radio Station-N.Y.
Ti­tel: - (Side 01 of the record)
Her­aus­ge­ber: Radiotaxi # 10, Edizioni Lotta Poetica & Studio Morra, Verona/Neaples
Da­tum: 1970, publ. 1983
Me­di­um: record 30 cm, supplement “Lotta Poetica” # 15/16
Cover: Sarenco & Franco Verdi
Performer: Jon Hendricks, Jean Toche, Poppy Johnson, Laurin Raiken

 

Das Action-Interview at WBAI Radio Station-N.Y. der New Yorker Künstlergruppe Guerilla Art Action Group ist die Dokumentation einer Live-Performance am 5. Januar 1970 auf WBAI Radio. Sie besteht aus einer Reihe von Statements und Fragestellungen, die die Rolle der Kunst dem Krieg, der Wirtschaft, der Gesellschaft und den Menschen unterschiedlicher Hautfarbe gegenüberstellt. Motivation für diese und viele andere Aktionen der Gruppe waren die Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen im Vietnam Krieg und die Verknüpfung einiger US-amerikanischer Kulturinstitutionen mit den Akteuren aus Politik und Kriegsgeschehen durch finanzielle Abhängigkeiten und personelle Nähen.

Die Gruppe verdeutlicht damit die Stellung der Kunst als Anstoßmoment für gesellschaftliche Veränderungen, trotz ihrer extravaganten Stellung außerhalb der Lebenswelt vieler Menschen. Sie ruft andere Künstler dazu auf, weniger auf die ästhetische Abstraktion als mehr auf Intellektualität, Interaktivität und persönlichen Ausdruck zu setzen.

 

Die angehende Kunstpädagogin Moya Stahlmann erläütert den Inhalt des Interviews wie folgt:

Die Protagonisten leiten wie folgt ein:

Lauren Raiken: I accuse.

Jean Toche: You say you are an artist.

Poppy Johnson: I say you lie. You are just a business man.

Jon Hendricks: You are guilty of curropting the very nature of art.

Bereits aus diesem einleitenden Statement wird klar, worauf die Gruppe im Verlauf aufmerksam machen möchte. Sie thematisieren die Beziehung von Kunst und Wirtschaft, in der nicht mehr klar ist, ob es sich bei einem/einer Künstler*in noch wirklich um eine/n Künstler*in handelt, oder vielmehr um einen „business man“. Und damit weisen sie auf den Verrat des/der Künstlers*in an der Kunst selbst hin, auf etwas fernab von Profitgedanken, auf etwas mit dessen Gebrauch man sich für seine Mitmenschen einsetzten sollte, anstatt durch die Mitarbeit in einem rassistischen und sexistischen System die Mitschuld daran zu tragen, dass sie weiterhin unterdrückt werden.

Sie fragen den/die Künstler*in direkt, was seine/ihre Beweggründe sind, weiterhin in einem solch korrupten System zu agieren und das Leid unterdrückter Menschen innerhalb dieses System hinzunehmen und sogar zu unterstützen. Sind ihnen das Geld, Ausstellungen und gute Kritiken wichtiger, statt sich für Menschenrechte einzusetzen? Haben sie das Gefühl, als Künstler*in mehr wert zu sein als andere Menschen? Sehen sie sich somit als etwas Göttliches? Zwischen ihren Statements und Fragen lassen sie mal längere, mal kürzere Pausen, um den Zuhörer vermutlich einen Raum zur Eigenreflexion zu lassen.

Besonders eingängig ist das oft wiederholte Statement „Art is Business.“. Kunst sei ein Instrument, mit dem eine unterdrückende Gesellschaft das eigene Image idealisiert. Sie wird benutzt, um Menschen dazu zu zwingen, die Unterwerfung vom „Big Business“ zu akzeptieren. Museen und kulturelle Institutionen werden dabei von Künstler*innen, die mit diesem manipulierenden System zusammenarbeiten und solch eine Idealisierung kultivieren, als Selbstheilung instrumentalisiert. Die Folge: Kunst sei dadurch irrelevant, trivial und steril geworden. Sie sei somit das höchste Symbol des entmenschlichten Prozess des Business geworden. Künstler*innen bezeichnen sie als Psychopathen, die innerhalb des Konkurrenzwettbewerbs der Kunstindustrie bereit sind, menschenverachtende Werte zu absorbieren.

Ist Kunst somit nicht zu einer Waffe der „cultural gangs“ geworden, um Menschen zu korrumpieren? Wird Kunst von ihnen als ein Opium für die unterdrückten Menschen eingesetzt? Besonders geht es aber auch um den/die Künstler*in an sich, er/sie lässt es zu, für die Elite ein kreatives Spielzeug zu sein, für eine Elite, die sich an Mord, Vergewaltigung und „dreckigem“ Geld erfreut.

Zwischen den Statments gibt es immer wieder Sequenzen, in denen eine*r der zu hörenden Künstler*innen fragt: „Are you guilty?“

Das Interview dieser Langspielplatte soll die Beziehungen von Kunst und Business, Kunst und dem Militär, Kunst und Gesellschaftsklassen, Kunst und Rassifizierung, und die instrumentalisierte Rolle der Künstler*innen, die sie selbst darin einnehmen, indem sie diese Beziehungen mit ihrem Agieren innerhalb des Kunst-Establishment unterstützen und somit auch legitimieren, aufdecken.

PS, MS